Freitag, 10. Dezember 2010

Dieser Autor hat Mühe mit der Vernunft

Erstaunliche Replik auf meinen Bettagsbeitrag in der "Basler Zeitung".

Georg Kreis

Es ist erschreckend und trotz allen Gegebenheiten erstaunlich, dass Giorgio Girardet an dieser Stelle (BaZ vom 18. 9. 2010) den eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag dazu hat missbrauchen können, um gegen Miteidgenossen zu polemisieren und gegen Institutionen Stimmung zu machen. Ihn stört offenbar die Vernunft oder die Gruppe des «Club Helvétique», die sich unter anderem auf Vernunft beruft. Dem Wörterbuch des Unmenschen hat er das Wort des «Vernunftlärms» als Neuschöpfung hinzugefügt. In seinen eigenen Wortabsonderungen ist von Vernunft wenig zu spüren, wenn man darunter die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion und entsprechender Selbstdisziplinierung versteht. Was Girardet aber implizit offenbar noch mehr stört als die rationale Vernunft, ist das Moralische an der Vernunft, das sich auch an der Frage orientiert, ob das für andere auch gut ist, was wir tun. Wäre ein herrliches Bettagsthema gewesen.

Stattdessen wirft er den «Kulturschaffenden» in gröblicher und völlig unzutreffender Weise vor, «sich in jüngster Zeit vor dem Gegenwind aus dem Albisgüetli unter die Rockschösse des Präsidenten der Eidgenössischen Antirassismuskommission» (EKR) zu flüchten. Das ist umso peinlicher, als der Verfasser selbst ganz offensichtlich an den Rockschössen eines Christoph Blocher hängt. Dieses Diskussionsniveau ist zu tief, als dass man es da aufnehmen könnte.

Es sticht Girardet offensichtlich, dass Menschen, die sich über menschen- und rechtsverachtende Entwicklungen im Lande Sorgen machen und sich nicht im «Albisgüetli», sondern an anderen Orten privat zusammentun, sich etwa als «Club Helvétique» oder als Vereinigung «Kunst+Politik» bezeichnen. Letztere hat sich übrigens gerade am Bettag in Thun wieder zusammengefunden, und sie hat sich überhaupt nicht unter die «Rockschösse» des EKR-Präsidenten begeben, sondern umgekehrt diesen schon im Januar dieses Jahres mit gegen 1000 Unterschriften gestützt, als die «Blocher-Partei» zu Beginn dieses Jahres diesen einmal zu eliminieren versuchte. Das ist es, was Girardet in diesem Fall zur «Intellektuellen»-Hatz geführt hat.

Der in der BaZ veröffentlichte Text ist an sich bereits deftig genug. Wenn man aber noch Weiteres kennt, was dieser Herr von sich gibt, dann wird dessen Auftritt noch bedenklicher. Girardet polemisiert an anderer Stelle gegen die «Berufsintellektuellen» (Juristen, Ärzte, Professoren, Unternehmer, Lehrer etc.). Wörtlich: «Das Problem bilden heute die wehleidigen Subventionsliteraten, die oft militärisch und zivil ‹dienstuntauglich› sich als ‹Künstler› ein Auskommen erschnorren. Muschg war Professor und Oberleutnant» (Blog-Beitrag, «Tagi»-Online, 18. 9.). Mit solchen Anwürfen und Ausfällen qualifiziert er sich offenbar als Kulturkritiker. Wir leben wieder einmal in Zeiten, in denen die Intellektuellen als disqualifizierende Vokabeln verwendet werden. «Club» und «Kunst+Politik» pflegen vor allem Klärung und Verständnis und sind nicht so sehr auf Propaganda bedacht. Es sind die feindseligen Angriffe, die ihnen Bekanntheit verleihen – was möglicherweise auch eine gute Seite hat.

Girardet hat seinen mentalen Gegnern empfohlen, sich am Sonntagmorgen im Basler Münster doch eine Predigt anzuhören. Der «Club Helvétique» war an diesem Sonntag Gast der Paulus-Akademie in Zürich und der Schreibende Gastprediger in Meilen, in einer Gegend also, von der unzutreffend schon gesagt worden ist, dass sie Blocher-Land sei.

Und hier meine Duplik (nur im Netz)