Montag, 18. Juli 2011

Tiziana Abate: Montanelli nur ein Journalist (Auszüge)







Seit ich denken kann, habe ich gedacht, ich würde Journalist werden. Es war keine Wahl. Ich habe nichts entschieden. Der Journalismus hat sich für mich entschieden. Und das war einer der vielen Glücksfälle meines Lebens, denn es steht fest, dass alles, was ich gemacht habe, einem treuen Verbündeten schulde, der nie von meiner Seite wich: dem Zufall. Emilio Cecchi hingegen gab mir die Weisheit mit, die sich als die kostbarste meines Berufslebens erwies: „Vergiss nie: Journalisten sind wie Bordschwalben: solange sie das Pflaster schlagen, laufen sie vorzüglich und können in der Welt auch was werden. Das Schlamassel fängt an dem Tag an, an dem sie sich in den Kopf setzen, sich in der guten Stube breitzumachen …“

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Das machte damals die ganze Jugend, die auch nur einen Funken Leben im Leibe hatte. Für die Twens von damals, stellte Abessinien der „Wilde Westen“ und „1968“ in einem dar. Das Hirn von den ipropagandistischen Lektüren über Dogali, Adua, Toselli und Galliano vernebelt, hofften wir dort unten ene „Neue Welt“ zu erschaffen und deren „Pilgerväter“ zu werden, ohne zu begreifen, dass Mussolinis Kolonialismus, der gerade im Moment debütierte, in dem die anderen Mächte von der Notwendigkeit Kenntnis nahmen, ihre Imperien zu liquidieren, schon gänzlich anachronistisch war, weil er mit dem wachsenden Bewusstsein um das Selbstbestimmungsrecht der Völker kollidierte. Und in meinem Fall war da auch noch der Wunsch ein Buch zu schreiben, um literarischen Ruhm zu erlangen.

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Dies war der einzige Lichtblick jener letzten Wochen in Abessinien. Allmählich hatte der Ekel den Traum einer „Neuen Welt“ verscheucht. Es war kein anderes Italien, das da in Afrika am entstehen war, sondern das übliche Italien mit seinen Emporkömmlingen, seinen Klientelen und seinen Schlampereien. Damals gab ich dem Faschismus die Schuld, ohne zu begreifen, dass dieser nicht der Grund des italienischen Elends war, sondern dessen Konsequenz.
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Ein gewisses Bürgertum sah in mir den Vertreter der italienischen Rechte. Es war eine verbohrte Rechte, die in mir ihren Sprecher sah, einzig und allein, weil ich mich der Linken in den Weg stellte. Was sie nie begriffen: dass ich mit der Rechten nie eine Ideologie verbunden hatte, und noch viel weniger eine bestimmte Partei, sondern eine Kultur.

Benedetto Croce definierte den Liberalismus als ein Gefäss, in dem jegliche Idee ihren Platz finden kann, wenn sie nur sie dessen Benimm-Regeln akzeptiert und ihnen nachlebt. Mehr als eine Ideologie war die Rechte stets eine moralische Haltung, ein Knigge für den Umgang: Interesselosigkeit, Korrektheit, Diskretion, Abscheu vor dem Spektakel und der Demagogie. Und welches Beispiel solcher Qualitäten hat die aktuelle Rechte gegeben? Ich kann in ihr - und immer gibt es natürlich Ausnahmen - einzig Dilettanten erkennen, die wenn sie nicht alle aus purem Eigennutz Politik treiben, so sind sie doch gänzlich unfähig sie von dem Öffentlichen Interesse zu trennen, wie es das Einmaleins der Rechte eigentlich verlangen würde.
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Und doch, zwischen all dem Glück und all den Erfolgen, die mir zuteil wurden, hat mir das Schicksal das Los zugeteilt, jene zwei Dinge mit ins Grab zu nehmen, die ich am meisten geliebt habe: meinen Beruf und das Land Italien.

Was aus ersterem geworden ist, zernichtet durch Computer und Fernsehen, ist allen offensichtlich, die es wahrnehmen wollen.

Was Italien betrifft, so ist der Krebs mittlerweile nicht mehr aufzuhalten und die Verwesung setzt nun ein, durch die Auflösung jenes kümmerlichen Restes, der noch vom Staate blieb. Und ich nenne es Verwesung, nicht Zerfall oder Sezession. Denn für die Sezession bräuchte es den Willen zur Gewalt, und wo fände sich in ganz Italien auch nur eine Kompanie Soldaten, die bereit wären für oder gegen die Einheit der Republik die Waffen zu ergreifen? Dieses Italien, das nur noch steht, weil ihm selbst für den Zusammenbruch die Kräfte fehlen.

Das Opfer, auf meine Nation zu verzichten, endlich, ist eines, das ich zu bringen nicht in der Lage bin, auch wenn ich rein rational mir darüber klar wäre, dass es notwendig, oder gar unausweichlich ist. Darum danke ich der Einwohnerkontrolle Italiens, die mich von solchen Fragestellungen pünktlich abmeldet.

Frage an die Leser: wer ist der Autor dieser Zeilen? (übersetzt aus dem Italienischen von G.G.)

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